Ich über mich

Nach jahrelangem Aufenthalt bei einer kleinen, trinkfreudigen Ethnie im Amazonastiefland kehrte ich nach Deutschland mit der Absicht zurück, die fast allabendlichen Trinkerrunden der Indianer hier fort zu setzen. Denn Prestige konnte nicht nur durch das Trinken Unmengen vergorener Alkoholika erreicht werden, sondern auch aufgrund der Herstellung besonders schmackhafter. Und was liegt hier in unseren Breitengraden näher als sich dem Weinbau zu widmen, um sich und seinen Gästen ein sehr individuelles, stilvolles und allgemein geschätztes Getränk anzubieten? Folglich wollte ich als Quereinsteiger 1997 eine Winzerlehre beginnen. Als ich nach zwei Dutzend Ausbildungsbetrieben, bei denen ich mich als potentiellen Lehrling vorstellte, auf das einzige Ökoweingut kam, riet mir jener Ökowinzer statt einer Lehre ein einjähriges Praktikum zu beginnen, um sich nicht den Schrott der theoretischen Weinkunde in den Kopf blasen zu lassen (nach Jahren fing ich doch mal aus Neugierde eine offizielle, staatlich gelenkte Lehre an, die gänzlich diesen Umstand bestätigte).

Von Anfang an stellte sich mir der dort praktizierte ökologische Weinbau als etwas anderes, innovatives, gegen das Establishment rebellierendes und lebendigeres dar. Ich hatte das Gefühl, etwas Eigenständiges zu verfolgen, zu einer verschworenen Gruppe von Unangepassten zu gehören. Kurzum, es war viel mehr als nur die Herstellung vergorenen Traubenmostes.


Seit dieser Zeit bewirtschafte ich auch meine eigenen kleinen Weinberge. Dass ich es anfangs nicht aus kommerziellen Gründen machte, gab mir doppelte Freude, da ich ohne Rücksicht auf finanzielle Einbußen alles ausprobieren konnte. Ein besonderes Vergnügen bereitete es mir, meine konventionell arbeitenden Nachbarn aufgrund meines augenscheinlich verwilderten, undisziplinierten und mit allerlei potentiellen Krankheitsüberträgern befallenen Weinbergs um den Schlaf zu bringen. Letztendlich war mir aber auch der ökologische Weinbau mit seinen genehmigten Spritzmitteln weder ökologisch noch sinnig genug, weshalb ich sämtliche Anbauflächen auf pilzwiderstandfähige Rebsorten umstellte. Insbesondere seit meiner zweijährigen Präsidentschaft im Internationalen Arbeitskreis für pilzwiderstandsfähige Rebsorten, welcher über 200 Winzer, Züchter, Veredler und Wissenschaftler aus ganz Europa und Übersee als Mitglieder zählt, gibt es für mich keine Alternative.


Schließlich wuchsen im Laufe der Jahre die Weinmengen, und da ich trotz aller Anstrengungen nicht mehr alles alleine Trinken konnte und die Ausgaben mein Budget zu sprengen begannen, musste ich dem schnöden Mammon zusprechen und 2008 anfangen, meine Weine zu verkaufen. In meiner umgebauten Trinkhalle kann ich nun meine Gäste mit meinen Nackten Weinen aus verbotenen Früchten bewirten. Zumindest die Indianer waren begeistert.

Und wenn keine fernen Indianer oder hiesige Gäste zum Verkosten kommen, mach ich´s mir eben mit einigen verbotenen Früchten alleine gemütlich.